Kritik GRENZECHO (17.01.2013)

Drei schokoladensüchtige Damen und ihre Therapeutin

Belgisches Stück „Les mangeuses de chocolat“ im TheaterK - Gelungene Übersetzung des Textes von Philippe Blasband
 
„Es hat richtig Arbeit gemacht, die verschiedenen Sprachebenen ins Deutsche herüberzuretten“, sagt Mandana Mansouri. Denn die 27-Jährige ist nicht nur die präsente Darstellerin der durchgeknallten Liane, sie hat die "Schokoladend(r)amen" (Les mangeuses de chocolat) ihres Großcousins Philippe Blasband auch übersetzt, deren deutschsprachige Uraufführung am Freitag im Aachener Theater K Premiere feierte. Denn der Starautor des frankophonen Theaters in Belgien hat den Sprung über die Sprachmauer zum Deutschen noch nicht geschafft und ist im Nachbarland völlig unbekannt.
 
Und das Resultat kann sich sehen lassen. Die bitterbössüße „Boulevardkomödie“ kam in ihrer Doppelbödigkeit beim Premierenpublikum glänzend an. Und da sind sie, die drei psychisch gestörten Damen, die hoffen, von ihrer Therapeutin (Katharina Mathar) von ihrer Schokoladensucht geheilt zu werden. Da ist Elodie (Annette Schmidt) - schwanger und bulimisch - die unter ihrem alkoholkranken überfürsorglichen Vater leidet.
 
Marielle (Dagmar Rösch), schlampig angezogene Autistin, stellt erst einmal alles infrage, und die durchgeknallte, zynische Liane ist dann auch die erste, die in die Schokoladenschüssel greift. Köstlich auch Katharina Mathars Darstellung der angeblich so professionellen esoterisch angehauchten Therapeutin - übrigens Fan Eupener Schokolade -, die sich im Verlauf des Stückes sukzessive das Heft aus der Hand nehmen lässt und offenbar selbst Hilfe nötig hat. Diese Therapeutin erfüllt alle Klischees ihrer Zunft. Streng nach Lehrbuch versucht die therapiebedürftige Therapeutin ihre „Fälle“ mit Normfragen zu behandeln und muss dann schmerzlich erfahren, dass diese „Fälle“ eben lebendige Menschen sind, die selbstverständlich gegen das aufgestülpte Korsett rebellieren.
 
Kommentiert wird das Ganze durch die Lieder, die Musiktherapeut Klaus (Ismael Hawramy) im Stück vorträgt, und in die die übrigen Figuren einfallen. Insgesamt begeistert das Stück durch seinen schwarzen Humor. Die Figuren sind die Getriebenen, deren Triebe sich in der Sucht nach der Süßigkeit kumulieren und deren Ursachen sich im Laufe des Stückes herausstellen. Mandana Mansouri hat es geschafft, die Doppelbödigkeiten und Klippen des französischen Originals so in den Text und auf die Bühne zu bringen, dass es bei den Nachbarn gut funktioniert. Einzig der Gattungsbegriff „Boulevardkomödie“ passt nicht so recht zu diesem bei aller Komik sehr intellektuellen Stück. Vielleicht könnte man es im Deutschen „Farce“ oder schlicht „Komödie“ nennen, um sich von Millowitsch und co. abzugrenzen, wohin die „Schokoladend(r)amen nun so gar nicht hinpassen.`Mandana Mansouri darf jedenfalls mit Recht stolz darauf sein, einen wichtigen frankofonen Autotor einem deutschen Publikum nahegebracht zu haben und so die noch bestehenden kulturellen Mauern in Europa ein wenig verkleinert zu haben.
 
Jetzt bleibt es nur abzuwarten, ob Philippe Blasband von der deutschen Version seines Stücks genauso angetan ist wie das Aachener Publikum. Denn er hat zugesagt, sich seine Großcousine in Aachen anzuschauen.
 
Gelegenheit, das muntere Stück zu sehen, bietet sich noch am 18. und 26. Januar sowie am 1., 8. und 15. Februar jeweils um 20 Uhr und am 27. Januar und 17. Februar um 18 Uhr. Eintritt: 15 Euro (ermäßigt 10 Euro).
Karten können unter der Rufnummer 0049/241151155 beim TheaterK vorbestellt werden.
Klaus Schlupp, Aachen