Premierenkritik Moviebeta (Juli 2013)

Lebenslage Nichtbeachtung

"Schwester von" im Theater K
 
Wenn man, wie Ismene, als "Schwester von" einer gesamtzivilisatorischen Heldin im Schatten steht, wenn man jahrtausendlang mit ansehen muss, wie diese in den Feuilletons als Prototyp der Freiheitskämpferin gefeiert wird, und wenn man von ihr ob seines eigenen Normalseins auch noch verachtet wurde, dann, ja dann kann alles Angestaute schon einmal aus einem herausplatzen.
 
Endlich. In Lot Vekemans Monolog gibt Anna Scholten Ismene eine Stimme! Und was für eine! Eine Stimme, die sich langsam erhebt, um zunehmend zu erbeben. Eine schonungslose Stimme, eine fragende, klagende. Eine zutiefst menschliche, aufbegehrende. Zum ersten und vielleicht zum letzten Mal: Die höhlenartige Bühne in Mona Creutzers exzellent-reduzierter Inszenierung ist fegefeuergleich - die Richter vor Augen, den Tod im Nacken. Die Zuschauer armverschränkt-schweigend vor sich, den Höllenhund Kerberus drohend-heulend hinter sich, fragt Ismene: Was wollt ihr hören? Ja, was eigentlich? Ja, genau: Darum geht's
Thomas Bünten